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Interview mit unserem Partner MLaw Christoph Balmer zum begleiteten Besuchsrecht

Interview mit unserem Partner MLaw Christoph Balmer zum begleiteten Besuchsrecht

06
Jul, 2023

Begleitetes Besuchsrecht – Was ist das und was sollte ich dazu wissen? Experteninterview mit Rechtsanwalt und Familienrechtsexperten MLaw Christoph Balmer

Das begleitete Besuchsrecht ermöglicht es dem Kind, mit dem nicht obhutsberechtigten Elternteil in Kontakt zu sein, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. In einem geschützten Rahmen soll somit eine tragfähige Beziehung entwickelt bzw. vertieft werden, um eine Normalisierung der Besuchsrechtsregelungen anstreben zu können. Wie das Ganze abläuft und auf was Sie hierbei achten sollten, erklärt Ihnen Rechtsanwalt und Familienrechtsexperte MLaw Christoph Balmer. Christoph Balmer hat in Basel studiert und absolvierte nach Abschluss seines Rechtsstudiums verschiedene Berufspraktika, unter anderem in einer Wirtschaftskanzlei, bei der kantonalen Verwaltung sowie in der Kanzlei Furer & Partner Rechtsanwälte, in der er mittlerweile seit 2020 als selbständiger Rechtsanwalt und Partner arbeitet. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen neben dem Familienrecht im Arbeits- sowie Strafrecht.

Was ist der begleitete Umgang und wann wird er veranlasst?
Das begleitete Besuchsrecht ist eine Form des Kontaktrechts zwischen dem Elternteil, welches nicht obhutsberechtigt ist, und dem Kind. Es unterscheidet sich vom allgemeinen Besuchsrecht in der Art, dass es begleitet ist. Sprich, eine dritte Person ist während der Besuchszeit anwesend. Rechtlich gesehen ist das begleitete Besuchsrecht nichts anderes als eine Kinderschutzmaßnahme. Es dient somit dazu, dass das Kindeswohl geschützt wird und dieses durch das Besuchsrecht nicht gefährdet wird. Solche Kinderschutzmaßnahmen werden vom Gericht oder auch von Kinderschutzbehörden angeordnet.

Es kommt jedoch immer darauf an, wo der Fall anhängig ist. Denn Kinderschutzmaßnahmen kommen erst dann zum Zug, wenn die jeweiligen Behörden oder das Gericht davon ausgehen, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Ein wichtiger Aspekt liegt darin, dass sowohl die Eltern als auch das Kind gegenseitig das Recht haben, miteinander Kontakt zu haben bzw. den Kontakt zu pflegen, unabhängig davon, ob ein Elternteil die elterliche Sorge oder Obhut hat. Dass regelmäßiger Kontakt zu beiden Elternteilen wesentlich zur gesunden Entwicklung des Kindes beitragen kann, ist völlig unbestritten. Darum kann das begleitete Besuchsrecht ein wichtiges Mittel sein, um mithilfe der begleiteten Besuche eine Normalisierung anstreben zu können.

Könnten Sie ein Beispiel nennen, das die Veranlassung eines begleiteten Besuchsrechts rechtfertigen würde?
Ein bekanntes Beispiel, welches man immer wieder in der Praxis sieht, ist die Veranlassung eines begleiteten Besuchsrechts im Interesse eines Kontaktaufbaus nach einer längeren Kontaktunterbrechung. Im ersten Schritt findet der Kontakt somit im begleiteten Rahmen statt.
Bei einer allfälligen Trennung oder Scheidung der Eltern, besonders wenn ein Elternteil plötzlich von Zuhause auszieht, kommt es oftmals zu Besuchsunterbrechungen. Es gibt verschiedenste Gründe, wieso das Kind einen Elternteil nicht mehr sehen will; auch wenn der Kontakt davor problemlos funktioniert hat. In diesen Fällen kann das begleitete Besuchsrecht dazu führen, dass eine Normalisierung des Kontakts zwischen Elternteil und Kind eintritt. Ein anderes Beispiel wäre die Veranlassung eines begleiteten Besuchsrechts bei Verdacht auf Kindesvernachlässigung oder einer größeren Kindeswohlgefährdung. Auch Elternkonflikte, wenn sich diese in Bezug auf gewisse Regelungen zu Kontakt und Besuch nicht einigen können, bilden Situationen, welche das Kind schwer belasten. Ein begleitetes Besuchsrecht kann dazu führen, dass der Konflikt entschärft wird und ein normaler Kontakt aufgebaut werden kann.
Spielt es eine Rolle, ob das Kind den jeweiligen Elternteil sehen möchte oder nicht?
Grundsätzlich spielt es keine Rolle, ob das Kind den jeweiligen Elternteil sehen möchte oder nicht. Der Wille vom Kind muss zwar berücksichtigt werden, aber hier wird vor allem zwischen Kindeswillen und Kindeswohl unterschieden. Das Kindeswohl sollte natürlich immer an erster Stelle stehen; man muss daher objektiv die Gesamtsituation beurteilen. Es spielt eine untergeordnete Rolle, was Eltern in diesem Moment für richtig empfinden. Deswegen ist es die Aufgabe des Richters bzw. der Behörden, abzuklären, was für das Kind das Beste ist. Je nach Alter und Reife des Kindes kann es die Umstände besser oder schlechter nachvollziehen. Man darf nicht außer Acht lassen, dass jedes Kind seine eigene Meinung bildet, und es eine Haltung zur Situation hat. Ein jüngeres Kind hat jedoch nur bedingt die Fähigkeit, die Situation objektiv zu erfassen. Damit ein Kind nach einigen Jahren nicht erkennen muss, wie wichtig der regelmässige Kontakt zu beiden Elternteilen in psychologischer und beziehungstechnischer Hinsicht gewesen wäre, kann bei jüngeren Kinder nicht einfach auf den Kindeswillen abgestellt werden. Aus diesem Grund werden Behörden und Richter stets darauf achten, dass zwischen dem Kindeswohl und dem Kindeswillen differenziert wird. Hier muss l immer eine sorgfältige Beurteilung im Einzelfall erfolgen.

Wer ordnet das begleitete Besuchsrecht an?
Angeordnet wird das begleitete Besuchsrecht entweder vom Gericht oder von der Kinderschutzbehörde. Zum Beispiel kann das Gericht im Rahmen eines Eheschutzes oder eines Scheidungsverfahrens Kinderschutzmaßnahmen anordnen

Welche Chancen bietet diese Umgangsform im Vergleich mit einem Entzug des Besuchsrechts?
In erster Linie geht es darum, den Kontakt zwischen Elternteil und Kind aufrechtzuerhalten bzw. wieder stattfinden zu lassen, damit es zu keinen längeren Unterbrechungen kommt. Verliert man einmal den Kontakt, kann es mitunter sehr schwierig sein, ihn wieder aufzubauen. Das begleitete Besuchsrecht bietet somit eine Chance auf einen Kontakt im geschützten Rahmen. Die Kinderschutzmaßnahmen dürfen natürlich nur so lang bestehen bleiben, wie eine mögliche Kindeswohlgefährdung überhaupt im Raum steht. Das Ziel darf man also nie vergessen: Die Kinderschutzmaßnahmen aus dem Weg zu räumen, sodass es baldig zu einer Normalisierung des Besuchsrechts kommt.

Wer ist die dritte Person, die den Besuch begleitet und was sind ihre Aufgaben?
In der Regel ist es eine Fachperson. Meistens – zumindest in der Schweiz – ist es ein Sozialarbeiter, der hierfür entsprechend geschult ist. Dies ist jedoch je nach Kanton und Region sehr unterschiedlich. Grundsätzlich findet das begleitete Besuchsrecht in Räumlichkeiten bzw. Institutionen statt. Die Fachperson ist im Grund die erste Ansprechperson, welche die Kinder vom obhutsberechtigten Elternteil in Empfang nimmt. Für gewöhnlich ist der andere Elternteil bereits vor Ort. Die dritte Person hält sich im Hintergrund; sie wird somit nicht unmittelbar am Kontakt beteiligt sein. Viel wichtiger ist, dass sie für den geschützten Rahmen sorgt und als Ansprechperson zugegen ist. Eine ihrer Hauptaufgaben liegt schlussendlich darin, den Umgang zwischen Elternteil und Kind einschätzen zu können sowie den Besuch zu evaluieren. Die Fachperson übergibt nach dem Treffen dem Richter oder der entsprechenden Behörde eine objektive Einschätzung, wie die Person mit dem Kind umgeht und wie das Verhältnis zwischen ihnen ist. Dieser Bericht ist für die Entscheidung, ob und wann die Kinderschutzmaßnahmen aufgehoben werden, und ein normales Besuchsrecht installiert wird, wesentlich. Es gibt auch stärker überwachte Formen. Das ist besonders dann der Fall, wenn ein Verdacht auf Misshandlung, Vernachlässigung oder eine etwas gröbere Kindeswohlgefährdung im Raum steht. Die Fachperson ist hierbei während dem Besuch die gesamte Zeit unmittelbar in der Nähe. Dies soll einerseits den Angstabbau fördern, andererseits aber gewährleisten, dass keine Kindeswohlgefährdung während des Besuchsrechts besteht.

Wie läuft ein begleiteter Besuch ab?
Im ersten Schritt wird ein Termin vereinbart, welcher dann regelmäßig stattfinden soll. Natürlich kommt es immer darauf an, von welcher Institution der Besuch organisiert wird, an welchem Wochentag dieser stattfindet und wo das Treffen zustande kommt, damit möglichst viel Rücksicht auf das Umfeld genommen werden kann. Wie zuvor erwähnt, begleitet der obhutsberechtigte Elternteil das Kind zum Treffpunkt und übergibt es der Fachperson. Normalerweise will man vermeiden, dass sich beide Elternteile direkt sehen, da hier meist großes Konfliktpotenzial herrscht. Anschließend kann die Besuchszeit, welche angeordnet wurde, mit dem Kind verbracht werden. Wenn die Zeit vorbei ist, wird das Kind wieder von der Fachperson in Empfang genommen und dem anderen Elternteil übergeben.

Wie wirkt sich das begleitete Besuchsrecht auf den Alltag meines Kindes aus?
Das kann man pauschal so nicht beantworten. Es ist sicherlich für alle involvierten Personen eine ungewohnte Situation, die gewiss eine Herausforderung darstellt – sowohl für das Kind als auch für die Eltern. Menschen reagieren in solchen Situationen sehr unterschiedlich. Wenn man es gewohnt war, immer Zeit mit dem Kind allein zu verbringen, stellt das begleitete Besuchsrecht einen starken Eingriff dar. Insbesondere die Nähe der dritten, fremden Person kann für viele das Gefühl von Überwachung oder gar Erniedrigung auslösen. Für das Kind selbst ist es sicherlich auch ein ungewohnter Zustand, vor allem bei den ersten Besuchen an einem fremden Ort. Empfehlen würde ich, dass man mit dem Kind bereits vor dem ersten Treffen die Institution besucht, damit dem Kind die Örtlichkeiten nicht komplett fremd sind. Sprich, es wird für alle Beteiligten nicht einfach sein. Hier sollte man stets das Ziel vor den Augen haben: Wieder eine Routine zu schaffen, damit es zu regelmäßigem Kontakt und einer Normalisierung des Besuchs kommt. Auf den Alltag des Kindes hat es jedoch nicht unbedingt einen großen Einfluss, meiner Meinung nach. Natürlich achtet man sehr genau darauf, dass das Kind nicht von seinen alltäglichen Tätigkeiten abgelenkt wird. Der Besuch findet daher nicht während der Schulzeit statt, sondern beispielsweise an einem freien Nachmittag oder am Wochenende.
Kann ein begleiteter Umgang zum Entzug der Obhut oder Besuchsrechte führen? Wann wird das Besuchsrecht gänzlich entzogen?
Der Entzug der Obhut und das begleitete Besuchsrecht schließen sich grundsätzlich aus. Denn der Elternteil, welcher das begleitete Besuchsrecht hat, wird nicht gleichzeitig der Obhutsberechtigte sein. Einen Entzug der Obhut wird es somit nicht geben. Selbstverständlich kann das begleitete Besuchsrecht dazu führen, dass das Kind während dem Besuch merkt, dass es diese Treffen nicht will, oder es fühlt sich hierbei nicht wohl. Man sollte daher bereits im Vorhinein überlegen, welche Möglichkeiten bestehen, um dieser Situation vorzubeugen. Im schlimmsten Fall kann das begleitete Besuchsrecht bewirken, dass es gar kein Besuchsrecht mehr gibt. Dies tritt zum Beispiel dann ein, wenn ein Elternteil ständig versucht, das Kind zu beeinflussen oder Druck auszuüben.

Die Gründe für die betreuten Besuche sind weggefallen, wann darf ich mein Kind wieder allein sehen?
Das ist sehr unterschiedlich und auf den Einzelfall bezogen. Das begleitete Besuchsrecht sollte immer befristet sein. Ist es zeitlich nicht befristet, muss das Gericht oder die zuständige Behörde regelmäßig prüfen, ob das angeordnete Besuchsrecht noch verhältnismäßig ist. Gleichzeitig hat der betroffene Elternteil, welcher das begleitete Besuchsrecht wahrnehmen muss, jederzeit das Recht, einen Antrag auf normales Besuchsrecht zu stellen. Allgemein gilt: In dem Moment, wo eine Kindeswohlgefährdung nicht mehr vorliegt oder jener Verdacht nicht begründet werden kann, muss sie aufgehoben werden. Sobald sie aufgehoben wurde, wird das Gericht bzw. die Behörde über die neuen Regelungen der Besuchszeiten entscheiden.

Von Seiten der Eltern: Wie oft passiert es, dass Elternteile ein begleitetes Besuchsrecht verweigern oder nicht akzeptieren wollen?
Ich habe in meiner Zeit als Anwalt noch nie erlebt, dass ein begleitetes Besuchsrecht von Anfang an als tolle Lösung angesehen wurde. Besonders bei Familien, in denen sich das Kind weigert oder verschließt, kann es für den betroffenen Elternteil schwierig sein, solch eine Situation zu akzeptieren. Auf der anderen Seite gibt es aber auch positive Reaktionen. Wenn es beispielsweise eine längere Kontaktunterbrechung gab, möchten viele Elternteile diese Chance nutzen, um einen Kontakt mit dem Kind wieder herzustellen. Man sieht, die Reaktionen sind sehr unterschiedlich!

Wie können Sie – als Anwalt im Familienrecht – Mandanten helfen, die von diesem Thema betroffen sind?
In erster Linie sehe ich es als meine Aufgabe, alle notwendigen Aspekte abzuklären. Wichtig ist vor allem, dass ich als Anwalt die allfällige Kindeswohlgefährdung nicht leichtfertig hinnehme. Hierzu prüfe ich, ob nicht nur der Vorhalt oder Vorwurf von einem Elternteil dazu führt, dass das Gericht – ohne sich ein umfassendes Bild von der Gesamtsituation zu machen – einen Entscheid fällt. Ich möchte daher sicherstellen, dass der Standpunkt meiner Mandanten rechtlich begründet ist, in das Verfahren eingebracht und beim Entscheid vom Gericht mitberücksichtigt wird.
In der Regel sorgen sich beide Elternteile um das Wohl des Kindes. Insbesondere bei Vorurteilen und Vorbehalten gegenüber einem Elternteil im Zusammenhang mit einer möglichen Kindeswohlgefährdung kann es dazu führen, dass man in einem ersten Schritt die ganze Situation mit dem Mandanten objektiv analysiert und das Kindswohl ins Zentrum rückt. Ein Kontaktabbruch bringt dem Kind nichts, das heißt, in diesem Moment muss man sich zum Wohl des Kindes oftmals etwas zurücknehmen. Es darf selbstverständlich nicht so weit gehen, dass man sich vollständig aufgibt.

Fragen zum Thema Begleitetes Besuchsrecht? Rechtsanwalt MLaw Christoph Balmer informiert Sie ausführlich zu allen Belangen rund um den Familienrechtsbereich & das begleitete Besuchsrecht.